Haftungsbegrenzung für ehrenamtlich tätige Vereinsvorstände
Vortrag am 08.05.2010 in Bochum

I. Motivation des Gesetzgebers  zur Haftungsreform

Es gibt in Deutschland derzeit rund 600´000 eingetragene Vereine, und rund 60 % aller Deutschen sind Mitglied in einem Verein. Knapp 100´000 Vereine sind Sportvereine, von denen etwa 13,5 % über existenzielle Probleme klagen, also etwa jeder 7. Sportverein. Es sind also mehr als 12´000 Sportvereine von existenzieller Not bedroht.

Diese Situation hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass sich insbesondere bei den kleineren Sportvereinen, die sich wegen ihrer knappen finanziellen Ausstattung auch nur ehrenamtlich tätige Vorstände leisten können, immer weniger Mitglieder bereit fanden, in die Vorstandsfunktion einzurücken.

Für die Schwierigkeit, die Vorstandsposten in ehrenamtlicher Funktion zu besetzen, ist nicht zuletzt das Risiko verantwortlich, bei Managementfehlern als Vorstand in die Regresshaftung genommen zu werden. Das eine oder andere Vorstandsmitglied, welches sich wegen der Ehrenamtlichkeit der Vereinstätigkeit von Regressansprüchen verschont wähnte, hat durchaus die unangenehme Erfahrung machen müssen, dass der Vorstand eines kleinen Vereines im Grundsatz haftungsrechtlich nicht besser steht als die Kollegen großer Sportvereine.

Im Interesse der Förderung des Bürgerengagements bei gemeinnützigen Vereinen hat daher der Bundesrat – nach dem vorläufigen Scheitern der vor einigen Jahren geplanten großen Vereinsrechtsreform – im Jahre 2008 die Initiative ergriffen und einen Gesetzentwurf zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvorständen vorgelegt. Dieser Gesetzentwurf wurde vom Bundestag am 02.07.2009 mit teilweise wichtigen Änderungen verabschiedet und passierte in geänderter Fassung dann am 18.09.2009 erneut den Bundesrat. Das Gesetz trat dann als § 31 a des Bürgerlichen Gesetzbuches mit folgendem Wortlaut in Kraft:

  „§ 31 a Haftung von Vorstandsmitgliedern
(1) Ein Vorstand, der unentgeltlich tätig ist oder für seine Tätigkeit eine Vergütung erhält, die 500 € jährlich nicht übersteigt, haftet dem Verein für einen in Wahrnehmung seiner Vorstandspflichten verursachten Schaden nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Satz 1 gilt auch für die Haftung gegenüber den Mitgliedern des Vereins.
(2) Ist ein Vorstand nach Abs. 1 Satz 1 einem anderen zum Ersatz eines in Wahrnehmung seiner Vorstandspflichten verursachten Schadens verpflichtet, so kann er von dem Verein die Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde.“


II. Der Inhalt der Haftungsbegrenzung

1. Begrenzung nur der Innenhaftung

Die neue Vorschrift des § 31 a BGB ist unmittelbar im Anschluss an die berühmte Vorschrift des § 31 BGB eingefügt, welcher die Haftung des Vereines für Vereinsorgane gegenüber einem Dritten anordnet. Dieser § 31, der die Außenhaftung des Vereines regelt, ist bei der Reform unangetastet geblieben. Der neue § 31 a BGB regelt daher ausschließlich die Innenhaftung, also die Haftung des handelnden Vorstandesmitgliedes gegenüber dem Verein und den Vereinsmitgliedern.

Weil aber die Haftung des handelnden Vorstandsmitgliedes gegenüber einem Dritten unverändert fortbesteht, hat § 31 a Abs. 2 BGB dem Vorstandsmitglied einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Verein zugebilligt, der allerdings dann ausgeschlossen ist, wenn der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt worden ist.

Aus der weiten Fassung des Wortlautes der neuen Vorschrift ist abzuleiten, dass diese interne Haftungsfreistellung gegenüber allen denkbaren Ansprüchen gilt, also gegenüber vertraglichen wie auch gegenüber deliktischen Ansprüchen. Hiervon ist allerdings eine Ausnahme für die Haftung von Vorstandsmitgliedern im Rahmen der Gefährdungshaftung zu machen. Die Haftungsverteilungsvorschriften für den Straßenverkehr (zum Beispiel § 17 Abs. 2 und § 18 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz) sind als lex specialis anzusehen (vgl. Orth, SpuRt 2010, 2). Verletzt also etwa ein in Wahrnehmung seiner Vorstandspflichten kraftfahrendes Vorstandsmitglied ein Vereinsmitglied, so bewendet es bei der bisherigen Haftungsverteilung.

2. Zwingende Vorschrift

Mit der Einführung des § 31 a BGB wurde zugleich § 40 BGB geändert, welcher den Katalog derjenigen Vorschriften des Vereinsrechts aufzählt, die der Änderung durch den Satzungsgeber entzogen sind. Insoweit hat sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, in die Vereinsautonomie einzugreifen und die Haftungsbeschränkung gegenüber dem Verein und den Freistellungsanspruch des Vorstandes gegen den Verein als zwingend auszugestalten. Allerdings könnte der Haftungsausschluss für Vorstände gegenüber den Vereinsmitgliedern durch entsprechende Satzungsvorschrift rückgängig gemacht werden. Es ist aber zu bezweifeln, dass die Entscheidung des Gesetzgebers sinnvoll ist, ausgerechnet die Innenhaftung gegenüber den Vereinsmitgliedern dispositiv auszugestalten, zumal ja die Vereinsmitglieder immerhin auf die Geschicke ihres Vereines, zum Beispiel in der Mitgliederversammlung, Einfluss nehmen könnten.

3. Erweiterung der Grundsätze arbeitsrechtlicher Haftungsmilderung

Schon bisher hatte die Rechtsprechung die Grundsätze der aus dem Arbeitsrecht bekannten schadensgeneigten Arbeit analog angewendet und einem ehrenamtlichen Tätigen, der eine schadensträchtige Aufgabe übertragen erhalten hatte, die Haftung nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zugemutet (BGH NJW 1984, 789; NJW 2005, 981). Dies galt freilich bislang lediglich für den Fall, dass ein Nichtvorstandsmitglied mit einer Vereinsaufgabe betraut worden war. Instruktiv hierzu ist insbesondere der Fall, den der BGH durch Urteil vom 13.12.2004 (NJW 2005, 981) entschieden hat, der einen Bergunfall betrifft, bei welchem Teilnehmer einer Seilschaft bei Besteigung eines Gletschers in der Schweiz tödlich oder schwerverletzt wurden, weil der ehrenamtliche Tourenführer des  Vereines das Seil unzureichend gesichert hatte. Diese Grundsätze zur Haftungsmilderung sind nun durch die Vereinsgesetznovelle praktisch auch auf den ehrenamtlich tätigen Vorstand erweitert worden, so dass die gelegentlich als willkürlich empfundene Haftungsdifferenzierung zwischen einem amtlichen Vorstand und einem mit besonderer Aufgabe betrauten Vereinsmitglied aufgehoben ist.


III. Tragweite des Haftungsschutzes zugunsten der Vereinsvorstände

1. Begriff des geschützten Vorstandes

§ 31 a BGB spricht lediglich vom „Vorstand“, ohne zu spezifizieren, ob hiermit der Begriff des Vorstandes im Sinne von § 26 BGB exakt übernommen wird. Zwar mag dafür sprechen, dass die Verwendung desselben Vorstandsbegriffes auch die inhaltliche Identität zur Folge hat. Wenn man freilich die eben angesprochene Entwicklung und die Anwendbarkeit der Grundsätze Gefahr geneigter Tätigkeit mit berücksichtigt, so liegt nahe, dass nicht nur der „amtliche“ Vorstand im Sinne von § 26 BGB von der Privilegierung profitieren soll, sondern jedes Vorstandsmitglied. Bekanntlich wird ja häufig in Vereinssatzungen zwischen dem offiziellen Vorstand im Sinne von     § 26 BGB einerseits und dem gesamten Vorstand nach Satzungsrecht unterschieden, wobei häufig auch von dem „erweiterten Vorstand“ die Rede ist. Man denke etwa auch an den Vorstand des Deutschen AnwaltVereins, der ja über eine umfangreiche Vorstandsebene verfügt, aber gleichwohl über nur wenige vertretungsberechtigte Vorstandsmitglieder im Sinne des BGB. Nach Sinn und Zweck der Novellierung halte ich es daher für richtig, sämtliche Vorstandsmitglieder in den Schutzzweck des § 31 a BGB einzubeziehen, weil anderenfalls wiederum die Besetzung der Vorstandsposten jedenfalls beim erweiterten Vorstand beeinträchtigt wäre.

2. Begriff der „Unentgeltlichkeit“

Die Haftungsprivilegierung soll nur dann eingreifen, wenn die Vorstandstätigkeit im Wesentlichen vergütungsfrei durchgeführt wird. Nach der gesetzlichen Definition bedarf es also entweder der vollständig unentgeltlichen Tätigkeit oder einer jährlichen Vergütung, die 500 € nicht übersteigt. Dieser  Betrag von 500 € jährlich orientiert sich an dem Steuerfreibetrag in § 3 Nr. 26 a EStG. Wichtig ist, dass diese Wertgrenze nur den reinen Vergütungsanspruch des Vorstandsmitgliedes betrifft, nicht also eine etwaige Aufwandsentschädigung, sofern diese lediglich die effektiven Auslagen ersetzt. Hierbei ist freilich darauf zu achten, dass nicht eine versteckte Vergütung in Form einer Aufwandspauschale ausbezahlt wird, wenn die tatsächlichen Auslagen die ausbezahlte Pauschale nicht abdecken.

Ob freilich die Wertgrenze von 500 € jährlich tatsächlich ausreicht, um ehrenamtliche Vorstandstätigkeit im erforderlichen Umfang zu privilegieren, erscheint als zweifelhaft. Wenn ein Vorstand pro Monat gut 40 € oder pro Woche rund 10 € oder arbeitstäglich nur gerade    2 €  an Vergütung erhält, dafür aber mehrstündige Vorstandsarbeit leistet, so ist diese Tätigkeit – verglichen am Maßstab des allgemeinen Einkommensniveaus – sicherlich noch als ehrenamtlich zu bezeichnen, obwohl die Wertgrenze der Haftungsprivilegierung schon überschritten wird.

3. Die Erfüllung von Vorstandspflichten

Das Haftungsprivileg räumt § 31 a BGB nur für solche schädlichen Handlungen ein, welche das Vorstandsmitglied in Wahrnehmung seiner Vorstandspflichten begangen hat, beruhen sie denn auf dem Gesetz, auf der Satzung oder der vom Vorstand beschlossenen Kompetenzverteilung. Wird also ein Schaden angerichtet, wenn keine eigentliche Vorstandstätigkeit entfaltet wird, entfällt die Haftungsbegrenzung. Wird also beispielsweise ein Vorstandsmitglied auch schon mal als Übungsleiter beim Training eingesetzt, so kommt er nicht in den Genuss der Haftungsbegrenzung, sondern haftet auch für  leichte Fahrlässigkeit nach allgemeinen Grundsätzen.

4. Besondere Haftungsprobleme

Ein spezielles Haftungsproblem taucht auf, wenn in einem Verein zusätzlich zum Vorstand ein hauptamtlicher Geschäftsführer gegen marktübliche Vergütung eingestellt ist, der also kein Vorstandsamt bekleidet und daher auch nach allgemeinen Grundsätzen in die Haftung genommen werden kann. Wirken nun ein unentgeltlich tätiges Vorstandsmitglied und dieser hauptamtliche Geschäftsführer bei einer Tätigkeit zusammen, so treffen verschiedene Haftungsmaßstäbe aufeinander, die im Innenverhältnis nach den Grundsätzen des Gesamtschuldnerausgleichs zu regeln sind. In diesem Falle kommt es trotz der Haftungsprivilegien des Vorstandesmitgliedes zu einem quotenmäßig zu beziffernden Regressanspruch dieses Geschäftsführers gegenüber dem nicht grob fahrlässig tätig gewordenen Vorstandsmitglied.


IV. Keine Entlastung bei sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Haftung

In den letzten Jahren haben sich insbesondere sowohl das Sozialversicherungsrecht als auch das Steuerrecht als Haftungsfalle für ehrenamtlich tätige Vorstandsmitglieder erwiesen. Konsequenterweise sah daher auch der ursprüngliche Gesetzesentwurf des Bundesrats noch Haftungserleichterungen im Hinblick auf die sozialversicherungsrechtliche und steuerrechtliche Haftung im Fall der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen und von Steuern vor (§ 28 e Abs. 1 SGB IV und § 69, 34 Abs. 1 Abgabenordnung). Nach dieser ursprünglichen Entwurfsfassung sollte ein ehrenamtlich tätiges Vorstandsmitglied eines gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftssteuergesetz steuerbefreiten Vereins von der Schadenshaftung befreit werden, falls das betroffene Vorstandsmitglied durch vorherige schriftliche Aufgabenverteilung für die Einhaltung der betreffenden Pflichten nicht verantwortlich sein sollte. Dies hätte also dazu geführt, dass das Vorstandsmitglied – entgegen dem Grundsatz der Gesamtverantwortung – nur noch für das ihm schriftlich zugewiesene Ressort haftbar gemacht werden konnte.

Leider wurde dieser Vorschlag des Bundesrates nicht in das am Ende verabschiedete Gesetz übernommen, weil sowohl die Bundesregierung als auch der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages dagegen opponiert haben. Maßgeblich hierfür war wohl die Überlegung, dass auch bei einer Verteilung der Verantwortungsbereiche innerhalb des Vorstandes gleichwohl der Grundsatz der Gesamtverantwortung aller Vorstandsmitglieder gilt. Dies führt im Ergebnis dazu, dass für die Vorstandsmitglieder, auch soweit ihnen bestimmte Kompetenzen zugewiesen sind, eine allgemeine Überwachungspflicht hinsichtlich der Tätigkeit aller Ressorts zum Tragen kommt.

Insoweit wäre es allerdings gerade im Interesse auch kleinerer Amateur-Sportvereine, zum Beispiel für den Tennisclub um die Ecke, empfehlenswert gewesen, gerade bei den angesprochenen Problemkreisen der Sozialversicherungs- und Steuerpflicht eine Haftungserleichterung zugunsten der ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder zum Zuge kommen zu lassen.


V. Schlussbemerkungen

Auch wenn der gute Wille des Gesetzgebers bei der Einführung des   § 31 a BGB deutlich sichtbar wurde, ist er meines Erachtens auf halbem Wege stehen geblieben, weil er gerade die besonders prekären Haftungssituationen im Sozialversicherungsrecht und im Steuerrecht unangetastet gelassen hat. Derjenige Bereich, der von der Novellierung erfasst wird, also die rein zivilrechtliche Haftung, war im Grunde schon vorher möglich durch eine entsprechende Regelung in der Vereinssatzung, so dass nur im begrenzten Umfange ein Fortschritt im praktischen Rechtsleben erzielt wird.

Daher macht auch die Einfügung des § 31 a BGB nicht entbehrlich, was schon vorher gerade auch bei Sportvereinen empfehlenswert war, nämlich der Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Dabei gibt es insbesondere auch die Möglichkeit für Vereine, eine sogenannte    D & O-Versicherung abzuschließen, welche diese Vermögensschäden abdeckt, welche durch fahrlässige Pflichtverletzungen der Vereinsorgane entstanden sind. Es soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass derartige Haftpflichtversicherungen teilweise nur gegen teure Prämien zu erhalten sind, welche gelegentlich auch nur gegen einen deutlichen Selbstbehalt des betreffenden Vorstandmitgliedes abgeschlossen werden können.

Als Fazit ist daher festzuhalten, dass das Grundsatzproblem der Haftung des Vereinsvorstandes auch durch den neu eingeführten      § 31 a BGB nicht von der Tagesordnung des Vereinslebens verschwinden wird.


Weiterführende Literatur:

1. Orth, Entlastung ehrenamtlicher Vereinsvorstände durch              § 31 a BGB, SpuRt 2010, S. 2,

2. Unger, Neue Haftungsbegrenzungen für ehrenamtlich tätige Vereins- und Stiftungsvorstände, NJW 2009, S. 3269,

3. Palandt-Ellenberger, BGB, 69. Auflage 2010, Kommentierung zu   § 31 a BGB.